Irrationalität der Quadratwurzel
Nach der Entdeckung des Hippasos sind dann viele weitere irrationale Verhältnisse bekannt geworden. Das bekannteste ist vielleicht die Irrationalität der Quadratwurzel aus 2, d. h. die Inkommensurabilität der Diagonale eines Quadrats mit seiner Seitenlänge.
Satz (Irrationalität der Quadratwurzel)
ist irrational.
Beweis
Annahme = n/m für natürliche Zahlen n und m. Durch Kürzen des Bruchs können wir o. E. annehmen, dass n oder m ungerade ist.
Es gilt n2 = 2 · m2, also ist n2 gerade, und damit ist auch n gerade.
Dann ist aber n2 durch 4 teilbar, also ist 2 · m2 durch 4 teilbar.
Dies ist nur möglich, wenn m2 und damit m gerade ist.
Dann sind aber m und n gerade, Widerspruch!
Dieses Argument findet sich im zehnten Buch der „Elemente“ (§ 115a), ist aber „sicher kein ursprünglicher Bestandteil von Euklids Werk“ [ Euklid 2003, S. 462 ]. Der Beweis wird bereits bei Aristoteles erwähnt und „dürfte aus einem älteren Werk übernommen sein“ [ eb. ]. Für einen allgemeineren Existenzsatz siehe § 9 des zehnten Buches der „Elemente“.
Mit Hilfe der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung lässt sich der Beweis auch so führen: Sei wieder n2 = 2 · m2, und seien n und m relativ prim zueinander (d. h. n und m haben keine gemeinsamen Primfaktoren, oder gleichwertig: n/m ist gekürzt). Es gilt m ≠ 1, da 2 keine Quadratzahl ist. Aus n2 = 2 · m2 folgt aber, dass jeder Primfaktor von m ein Teiler von n2 ist, also auch ein Teiler von n, Widerspruch.
Für dieses Argument genügt also bereits die folgende schwache Form des Satzes über die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung: „Ist n2 durch eine Primzahl p teilbar, so ist n durch p teilbar.“ Das Argument des ersten Beweises braucht keine zusätzlichen Hilfsresultate, sondern kommt mit einer elementaren Fallunterscheidung in gerade und ungerade aus.
Die Inkommensurabilität der Diagonale und der Seitenlänge eines Quadrats lässt sich auch, ähnlich wie für das Pentagramm, geometrisch erkennen (siehe [Zeuthen 1915]). Wir betrachten das Diagramm rechts, das ein Quadrat Q0 mit Diagonale d0 und Seite a0 zum Ausgang hat, und zwei weitere Quadrate Q1 und Q2 mit Diagonalen d1 und d2 und Seiten a1 und a2 enthält. Aus Q2 werden nun Q3 und Q4 gebildet wie Q1 und Q2 aus Q0. Es entstehen Quadrate Qi mit Diagonale di und Seite ai, i ≥ 1. Wir finden die rekursiven Gleichungen:
di = ai + ai + 1, ai = ai + 1 + di + 1.
Also gilt d0 = a0 + a1 und ai = 2ai + 1 + ai + 2 für alle i ≥ 0. Die Wechselwegnahme für das Paar d0 und a0 terminiert also nicht, genauer liefert sie die Vielfachheitsfolge 1, 2, 2, 2, … Damit ist das Verhältnis der Seite eines Quadrats zu seiner Diagonalen irrational. Im Falle des Einheitsquadrats (a0 = 1) gilt d0 = [ 1, 2, 2, 2, … ]. Zusammen mit dem Satz von Pythagoras haben wir damit einen weiteren Beweis für die Gleichung = [ 1, 2, 2, 2, … ].