Besonderheiten der Rotationsgruppe SO3

 Wir haben gesehen, dass die Gruppe SO3 ausschließlich aus Rotationen um Achsen durch den Nullpunkt besteht, und in diesem Sinne hat SO3 eine einfache Struktur. Wir wollen nun umgekehrt zeigen, dass sich innerhalb von SO3 bemerkenswert komplizierte kombinatorische Untergruppen finden lassen. Wie wir später sehen werden, hat ihre Existenz für die Theorie der Flächenmessung auf der Kugeloberfläche und weiter der Volumenmessung im n für n ≥ 3 drastische Konsequenzen.

 Der erste Unterschied, der beim Vergleich von SO2 und SO3 auffällt, ist die mangelnde Kommutativität der Gruppe SO3. Zudem: Wählen wir zwei „zufällige“ Drehachsen G1 und G2, und bezeichnen wir die zugehörigen Rotationen in SO3 mit φ und ψ, so scheint es, dass alle denkbaren Kompositionen von φ, ψ, φ− 1 und ψ−1 verschiedene Drehungen ergeben. Wir fordern lediglich, dass im Verlauf einer solchen Komposition eine gerade durchgeführte Drehung nicht gleich wieder rückgängig gemacht wird, dass also die Komposition keine Zweiersequenz der Form φ ∘ φ−1, φ−1 ∘ φ, ψ−1 ∘ ψ oder ψ ∘ ψ−1 enthält. Wir nennen solche Kompositionen reduziert. Beispiele für reduzierte Kompositionen sind etwa, wobei wir die Identität als „Nullkomposition“ zulassen:

id,  φ,  φ−1,  φ ∘ ψ,  ψ ∘ φ,  φ ∘ φ,  φ ∘ φ ∘ ψ−1 ∘ φ ∘ ψ,  …

 Insgesamt ergibt jede solche reduzierte Komposition χ wieder eine Drehung um eine bestimmte Achse Gχ. Die Frage ist: Können wir die Drehachsen G1 und G2 tatsächlich so wählen, dass alle reduzierten Kompositionen zu verschiedenen Drehachsen führen? Jede Drehung φ um 180 Grad ist z. B. ungeeignet, da dann bereits φ2 = id gilt. Allgemeiner sind Drehungen um Winkel q π mit q rational ungeeignet. Jede Drehung φ um einen im Verhältnis zu π irrationalen Winkel stellt aber schon sicher, dass id, φ, φ−1, φ ∘ φ, φ−1 ∘ φ−1, … paarweise verschieden sind. Nun muss aber noch eine Rotation ψ gefunden werden, sodass alle reduzierten Kompositionen mit φ paarweise verschiedene Drehungen darstellen. Der Leser wird sehen, dass die Existenz eines solchen Paares φ, ψ zwar glaubhaft ist, aber keineswegs auf der Hand liegt. Wir werden unten ein solches Paar konstruieren. Wie erwartet gelten dann auch starke Verallgemeinerungen; so können etwa unendlich viele Drehungen gefunden werden, sodass alle reduzierten Kompositionen dieser Drehungen verschiedene Drehungen ergeben.

 Zur präzisen Formulierung des Sachverhalts ist es nützlich, einige Begriffe der kombinatorischen Gruppentheorie zu verwenden.

Freie endlich erzeugte Gruppen

 Sei n ≥ 1 fest gewählt, und seien a1, …, an, a1−1, …, an−1 paarweise verschiedene Symbole, die wir auch Buchstaben nennen. Die Exponenten −1 sind im Hinblick auf die Einführung einer Gruppenstruktur gewählt. Wir könnten auch b1, …, bn statt a1−1, …, an−1 wählen: Die ai und ai−1 sind zunächst beliebige Zeichen.

 Wir betrachten weiter die Menge W der endlichen Worte, die aus diesen Buchstaben gebildet sind. W enthält auch das leere (oder uneigentliche) Wort, das wir mit 1 bezeichnen. Für Worte v und w aus W setzen wir:

v  <1  w  fallsv aus w durch Streichen von genau zwei aufeinander folgenden Buchstaben von w der Form aiai−1 oder ai−1ai hervorgeht.

So gilt zum Beispiel:

a1a1 <1  a1a2a− 12a1,
1 <1  aiai−1    für alle 1 ≤ i ≤ n,
non(a2−1 <1  a1a2−1a1−1),
non(1 <1  a1a1−1a2a2−1).

Zum letzten Beispiel: Wir erlauben nur das Streichen eines einzigen Paares in <1.

 Gilt v <1 w, so nennen wir v auch eine Einschrittreduktion von w. Umgekehrt heißt w dann eine Einschrittexpansion von v.

 Ein Wort v  ∈  W heißt reduziert, falls non(w <1 v) gilt für alle w  ∈  W.

 Wir definieren nun eine Äquivalenzrelation ∼ auf W durch:

w  ∼  v  falls ein k ≥ 1 und w1, …, wk  ∈  W existieren mit:

(i)

Es gilt w1  =  w,  wk  =  v.

(ii)

Für alle 1 ≤ i < k gilt:  wi  <1  wi + 1oder  wi + 1  <1  wi.

 Zwei Worte w und v sind also genau dann äquivalent, wenn es eine Kette von Einschrittreduktionen oder Einschrittexpansionen gibt, die von w zu v führt. Die Reduktionen und Expansionen können dabei in beliebiger Mischung vorkommen (vgl. aber die Übung unten). Eine Kette aus genau einem Element ist zugelassen (k = 1). Offenbar gilt w ∼ w für alle w  ∈  W. Umkehrung einer Kette zeigt die Symmetrie, und Verbinden zweier Ketten zeigt die Transitivität der Relation ∼.

 Auf der Menge W/∼ der Äquivalenzklassen definieren wir nun eine Multiplikation durch

w/∼ · v/∼  =  wv/∼,

wobei wv das Wort ist, das durch Hintereinanderhängen von w und v entsteht.

 Es ist leicht zu sehen, dass 〈 W/∼, · 〉 eine Gruppe ist.

Definition (die freie Gruppe Fn mit n Generatoren)

〈 W/∼, · 〉 heißt die freie durch die Generatoren a1, …, an erzeugte Gruppe.

Wir bezeichnen diese Gruppe auch mit Fn(a1, …, an) oder kurz mit Fn, da es auf die Natur der Generatoren zumeist nicht ankommt.

 Die Idee des Wortes „frei“ ist: Es gelten die Regeln, die explizit gefordert werden, und keine weiteren.

 Das neutrale Element von 〈 W/∼, · 〉 ist 1/∼ = { 1, a1a1−1, a1−1a1, … }, die Äquivalenzklasse des leeren Wortes. Weiter gilt:

(ai/∼)−1  =  ai−1/∼  für 1 ≤ i ≤ n.

 Es ist leicht einzusehen, dass jede Äquivalenzklasse w/∼ genau ein reduziertes Wort enthält:

Übung

Sei w  ∈  W. Dann existiert ein eindeutiges reduziertes Wort v mit v ∼ w.

v kann aus w durch iterierte, in beliebiger Reihenfolge durchgeführte Einschrittreduktionen erhalten werden.

Gilt also w1 ∼ w2, so kann w1 durch Einschrittreduktionen gefolgt von Einschrittexpansionen in w2 übergeführt werden.

 Der besseren Lesbarkeit halber schreiben wir im Folgenden w = v statt w ∼ v oder w/∼ = v/∼. In dieser Schreibweise ist dann tatsächlich ai−1 nicht nur ein Symbol, sondern invers zu ai. Für n = 2 können wir zum Beispiel unbeschwert wie folgt rechnen:

a1 a2 a2−1 a1−1 a1 a1 a2  =  a1 a1 a2  =  a12 a2  =  a12 a2 a1 a1−1,

a1−1 a1  =  1,  a1 a2  ≠  a2 a1.

 In dieser Form wird mit Elementen von freien Gruppen zumeist gearbeitet. Die offizielle Struktur 〈 W/∼, · 〉 bleibt im Hintergrund.

 Die freie Gruppe F1 mit einem Generator a ist offenbar isomorph zu 〈 , + 〉 (bilde für alle z  ∈   das Element az von F2 auf z ab).

 Die Gruppe F2 ist dagegen weitaus komplizierter. Mit a und b als Generatoren gilt a b  ≠  b a,  az b  ≠  b az,  usw. Insbesondere ist F2 nicht kommutativ, und damit kann die kommutative Rotationsgruppe SO2 keine zu F2 isomorphe Untergruppe enthalten. Dies ist anders für die Rotationen in drei Dimensionen:

Satz (F2 und SO3)

SO3 enthält eine zu F2 isomorphe Untergruppe.

 Der Beweis verwendet die einfachen Drehungen φ und ψ um den Winkel arccos(1/3) um die z-Achse bzw. die x-Achse. Alle Drehungen sind wie üblich gegen den Uhrzeigersinn. Die Drehung φ ist etwa derart, dass die Projektion des gedrehten Einheitsvektors (1, 0, 0) auf die x-Achse genau ein Drittel des Einheitsvektors ergibt. Eine pythagoreische Rechnung für die y-Achse zeigt, dass φ den Vektor (1, 0, 0) insgesamt auf den Vektor (1/3, 22/3, 0) abbildet. Setzen wir zur Entschlackung des Wiederkehrenden

α  =  1/3  und  β  =  22/3,

so ergibt sich insgesamt für die darstellenden Matrizen M(φ) und M(φ−1) bzgl. der kanonischen Basis:

M(φ)  =  αβ0βα0001 und   M(φ−1)  =  αβ0βα0001.

Weiter sind M(ψ) und M(ψ−1) die an der Gegendiagonalen gespiegelten Matrizen M(φ) bzw. M(φ−1).

Beweis

Seien φ, ψ wie eben. Wir setzen:

F  =  „die von φ und ψ erzeugte Untergruppe von SO3“.

Wir zeigen, dass F isomorph zu F2 ist. Betrachten wir F2 als generiert von den Symbolen φ und ψ, so ist die Abbildung g : F2  F mit

g(s1 … sn)  =  s1 ∘ … ∘ sn  für jedes reduzierte Wort s1 … sn  ∈  F2,

(mit g(1) = id) offenbar ein surjektiver Homomorphismus.

Die si sind Elemente aus { φ, ψ, φ−1, ψ−1 }; auf der linken Seite der Definition von g sind sie Symbole, auf der rechten Abbildungen in SO3.

Um zu zeigen, dass F isomorph zu F2 ist, genügt es zu zeigen, dass g injektiv ist.

Wir zeigen also g(s) ≠ id für alle reduzierten Worte s ≠ 1. Dies genügt.

De facto ist g(s)(1, 0, 0) ≠ (1, 0, 0) oder g(s)(0, 0, 1) ≠ (0, 0, 1) für diese s, wie die folgende genauere Berechnung zeigt:

(+)  Ist s = s1 … sn, n ≥ 1, reduziert, so existieren a, b, c  ∈  , m  ∈   mit:

(i)

g(s)(1, 0, 0)  =  (a, b2, c)/3m,  falls  sn  ∈  { φ, φ−1 },

(ii)

g(s)(0, 0, 1)  =  (a, b2, c)/3m,  falls  sn  ∈  { ψ, ψ−1 },

(iii)

b ist nicht durch 3 teilbar (insb. also b ≠ 0).

Beweis von (+) durch Induktion nach n ≥ 1

Induktionsanfang n = 1:

ist klar.

Induktionsschritt von n nach n + 1:

Sei also s = s1 … sn + 1 reduziert.

O. E. sei sn + 1  ∈  { φ, φ−1 } (der andere Fall ist analog).

Nach I.V. gilt:

g(s2 … sn + 1)(1, 0, 0)  =  (a, b2, c)/3m

für gewisse a, b, c, m wie in (i) − (iii). Damit ist dann:

g(s)(1, 0, 0)  =  M(s1) · (a, b2, c)t/3m, 

mit M(s1)  ∈  { M(φ), M(φ−1), M(ψ), M(ψ−1) }.

Wir rechnen:

(1)  M(φ) · (a, b2, c)t/3m=  1/3m + 1 (a − 4b, (b + 2a)2, 3c)t.
(2)  M(φ−1) · (a, b2, c)t/3m=  1/3m + 1 (a + 4b, (2a − b)2, 3c)t.
(3)  M(ψ) · (a, b2, c)t/3m=  1/3m + 1 (3a, (b − 2c)2, c + 4b)t.
(4)  M(ψ−1) · (a, b2, c)t/3m=  1/3m + 1 (3a, (b + 2c)2, c − 4b)t.

Wir müssen noch zeigen, dass b + 2a, 2a − b, b − 2c, b + 2c nicht durch 3 teilbar sind. Wir betrachten hierzu auch noch s2.

Ist s1 = φ und s2  ∈  { ψ, ψ−1 }, so ist b + 2a nicht durch 3 teilbar, da dann nach I. V. b nicht durch 3 teilbar ist und a nach (3) und (4) von der Form 3a′ ist. Analoges gilt für alle anderen „gemischten“ Fälle, in denen s1 und s2 beide Zeichen φ und ψ involvieren.

Ist s1 = φ und s2 = φ, so ist nach (1)

b + 2a  =  b + 2(a′ − 4b′)  =  b + 2a′ − 8b′  =  b + (2a′ + b′) − 9b′  =  2b − 9b′.

Nach I. V. ist b nicht durch 3 teilbar, also ist auch 2b − 9b′ nicht durch 3 teilbar, also ist b + 2a nicht durch 3 teilbar. Analoges gilt für die anderen „gleichen“ Fälle, d. h. s1 = s2, s1  ∈  { φ−1, ψ, ψ−1 }.

 Dieses elementare Argument stammt von Swierczkowski (1958). Hausdorff entdeckte 1914, dass die Gruppe SO3 eine zum sog. freien Produkt Z2, 3 der Restklassengruppen Z2 = /≡ 2 und Z3 = /≡ 3 isomorphe Untergruppe enthält (dieses Produkt taucht bereits bei Felix Klein 1890 auf; die Gruppe Z2, 3 hat zwei Erzeuger a und b und zusätzlich zu den Gruppenaxiomen gelten die Regeln a2 = 1 und b3 = 1). Hausdorff brachte sein Resultat noch im Anhang seiner „Grundzüge der Mengenlehre“ (siehe [ Hausdorff 1914, S. 469ff.]) und dann für sich stehend noch einmal in [ Hausdorff 1914b ]. In den „Grundzügen“ heißt es:

Hausdorff (1914):

„…verstehen wir unter φ eine Halbdrehung (um π) und unter ψ eine Dritteldrehung (um 2/3 π) um eine von der ersten verschiedene Achse. Sie erzeugen eine Gruppe G von Drehungen, deren Elemente wir nach der Faktorenzahl geordnet (wobei φ, ψ, ψ2 als einfache Faktoren gezählt werden) so schreiben:

1 | φ, ψ, ψ2 | φ ψ, φ ψ2, ψ φ, ψ2 φ | …

Bei geeigneter Wahl der Drehachsen bestehen außer φ2 = ψ3 = 1 keine Relationen zwischen φ und ψ …

 [ Zum Beweis dieser Behauptung ] legen wir durch den Kugelmittelpunkt ein rechtwinkliges Achsensystem, die ψ-Achse [ der Drehung um 2/3 π ] in die z-Achse, die φ-Achse [ der Drehung um π ] in die xz-Ebene … [ und ] bezeichnen den Winkel beider mit 1/2 θ ….

Hausdorff analysiert nun die entstehende Gruppe von Drehungen in Abhängigkeit vom Winkel θ/2 der beiden Drehachsen, und kommt zu dem Ergebnis, dass mit Ausnahme von abzählbar vielen Werten jeder Winkel θ geeignet ist, damit „außer φ2 = ψ3 = 1“ keine Relationen bestehen, d. h. die entstehende Gruppe ist isomorph zum freien Produkt Z2, 3 von Z2 und Z3. Die Gruppe Z2, 3 wiederum enthält eine Kopie von F2, sodass wir obiges Ergebnis auch aus der Konstruktion von Hausdorff erhalten:

Übung

Z2, 3 enthält eine zu F2 isomorphe Untergruppe.

 Die überraschenden Konsequenzen dieser Ergebnisse über Rotationen im 3 werden wir im übernächsten Kapitel kennen lernen.

 Auflösbare Gruppen 〈 G, ∘ 〉 können nach einem allgemeinen Satz keine zu F2 isomorphe Untergruppe enthalten: Es gibt immer ein nichtleeres reduziertes Wort w = s1 … sn in zwei Buchstaben a und b, sodass w gelesen über G immer gleich 1 ist, d. h. für alle φ, ψ  ∈  G gilt, dass f (s1) ∘ … ∘ f (sn) = 1, wobei f (a) = φ, f (b) = ψ, f (a−1) = φ−1, f (b−1) = ψ−1. Um diese einzusehen, betrachten wir noch eine für sich interessante Äquivalenz zur Auflösbarkeit: Für auflösbare Gruppen existiert immer eine kanonische auflösende Kette. Wir definieren hierzu:

Definition (Kommutator)

Sei G eine Gruppe. Wir definieren für g, h  ∈  G den Kommutator von g und h, in Zeichen [ g, h ], durch:

[ g, h ]  =  g−1 h−1 g h.

Wir definieren weiter den Kommutator von G durch:

[ G, G ]  =  { [ g1, h1 ] · … · [ gn, hn ] | n ≥ 1, g1, …, gn, h1, …, hn  ∈  G }.

 Zur Motivation: Eine Faktorgruppe G/F ist genau dann kommutativ, wenn g h F = h g F, d. h. g−1 h−1 g h  ∈  F für alle g, h  ∈  G gilt. Durch derartige Überlegungen und Berechnungen zeigt man leicht:

Satz (über den Kommutator einer Gruppe)

Sei G eine Gruppe. Dann gilt:

(i)

[ G, G ] ist eine normale Untergruppe von G.

(ii)

G/[ G, G ] ist abelsch.

(iii)

Ist H eine normale Untergruppe von G mit G/H abelsch, so ist [ G, G ] ⊆ H.

 Die Faktorgruppe G/[ G, G ] ist also die beste „Abelisierung“ der Gruppe G.

 Der Kommutator [ G, G ] selbst ist i. A. nicht abelsch, und es liegt dann nahe, die Kommutatorbildung zu iterieren. Für eine Gruppe G setzen wir:

G(0)  =  G,  G(n + 1)  =  [ G(n), G(n) ]  für alle n  ∈  .

 Die Minimalitätseigenschaft (iii) des Satzes über den Kommutator liefert nun leicht:

Satz (Kommutatorformulierung der Auflösbarkeit)

Sei G eine Gruppe. Dann sind äquivalent:

(i)

G ist auflösbar.

(ii)

Es existiert ein n  ∈   mit G(n) = { 1 }.

Beweis

(i)  (ii):  Sei G0, G1, …, Gn eine G auflösende Kette. Die Minimalität der Kommutatorgruppe liefert induktiv, dass G(i) ⊆ Gi für alle i ≤ n gilt.

Also ist { 1 }  ⊆  G(n)  ⊆  Gn  =  { 1 }.

(ii)  (i):  G(0), G(1), …, G(n) ist eine G auflösende Kette.

 Mit Hilfe der Kommutatorfolge G(0), G(1), …, G(n) können wir nun zeigen:

Satz (auflösbare Gruppen und F2)

Sei G eine auflösbare Gruppe. Dann enthält G keine zur F2 isomorphe Untergruppe.

Beweis

Für g, h  ∈  G setzen wir neben [ g, h ]  =  g−1 h−1 g h noch

[ g, h ]*  =  g h g−1 h−1  =  [ g−1, h−1 ]   ∈  [ G, G ].

Wir definieren nun rekursiv für zwei festgewählte g, h  ∈  G:

g0  =  g, 

h0  =  h,

gi + 1  =  [ gi, hi ],

hi + 1  =  [ gi, hi ]*  für alle i  ∈  .

Sei n  ∈   minimal mit G(n) = { 1 }.

Wegen gn  ∈  G(n) ist dann also gn = 1 (und hn = 1).

Gelesen über F2, generiert von den Zeichen g und h, ist aber gn ein reduziertes Wort (!). Also ist die von g und h erzeugte Untergruppe H von G nicht isomorph zu F2. Dies zeigt die Behauptung.

 Für die auflösbaren Gruppen 1 und 2 können wir relativ einfache universelle Gleichungen in zwei Variablen finden, die gelesen über F2 nicht gelten:

Übung

(i)

Für alle φ  ∈  1 ist φ2  ∈  Tr1, also ist φ2 ψ2 φ− 2 ψ− 2 = 1 für alle φ, ψ  ∈  1.

(ii)

Für alle φ, ψ  ∈  2 ist χ = φ2 ψ2 φ− 2 ψ− 2  ∈  Tr2.

Also gilt χ χ′ = χ′ χ, wobei χ′ = φ− 2 ψ− 2 φ2 ψ2  ∈  Tr2.

Folglich ist χ χ′ χ−1 χ′− 1 = 1.

Wir schreiben hier 1 und 2 der Einfachheit halber multiplikativ.

Übung

Sei G = 𝒮{ 1, 2, 3, 4, 5 } die Permutationsgruppe auf { 1, 2, 3, 4, 5 }, und sei H = { g  ∈  G | signum(g) = 1 } die Untergruppe der geraden Permutationen.

Dann gilt [ G, G ] = H und [ H, H ] = H. Also ist G nicht auflösbar.

 Die Übung zeigt, dass obige Implikation über auflösbare Gruppen und F2 nicht umgekehrt werden kann.