4. Topologische und metrische Räume
Wir geben einen Überblick (ohne Motivationen) über die wichtigsten Begriffe und Sätze der elementaren durch Hausdorff 1914 begründeten Topologie.
Topologische Räume
Definition (topologischer Raum)
Sei X eine Menge, und sei 𝒰 ⊆ ℘(X).
Dann heißt das Paar 〈 X, 𝒰 〉 topologischer Raum auf X, falls gilt:
(i) | ∅, X ∈ 𝒰. |
(ii) | Ist 𝒜 ⊆ 𝒰, so ist ⋃ 𝒜 ∈ 𝒰. |
(iii) | Ist 𝒜 ⊆ 𝒰 endlich, so ist ⋂ 𝒜 ∈ 𝒰. |
Die Elemente von 𝒰 heißen offene Mengen.
Ein A ⊆ X heißt abgeschlossen, falls X − A offen ist.
Ist x ∈ X, U ∈ 𝒰 und gilt x ∈ U, so heißt U eine offene Umgebung von x.
𝒰 heißt auch eine Topologie auf X. Die Elemente von X heißen Punkte.
Eine natürliche zusätzliche Forderung ist folgende Trennungseigenschaft:
Definition (Hausdorff-Raum)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum. 𝒳 heißt ein Hausdorff-Raum, falls für alle x, y ∈ X mit x ≠ y gilt:
(+) Es existieren U, V ∈ 𝒰 mit x ∈ U, y ∈ V, U ∩ V = ∅.
Bei Hausdorff ist (+) ein integraler Bestandteil seiner Definition eines topologischen Raumes (vgl. [ Hausdorff 1914, S. 213 ]).
Seit Hausdorff sind folgende Komplexitätsbezeichnungen in Gebrauch:
Definition (Gδ- und Fσ-Mengen)
Sei 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum, und sei Y ⊆ X.
(i) | Y heißt eine Gδ-Menge, falls es offene Un, n ∈ ℕ, gibt mit Y = ⋂n ∈ ℕ Un. |
(ii) | Y heißt eine Fσ-Menge, falls es abgeschlossene An, n ∈ ℕ, gibt mit Y = ⋃n ∈ ℕ An. |
Im Gefolge eines jeden topologischen Raumes auf X finden sich drei Operationen auf ganz ℘(X):
Definition (Inneres, Abschluss und Rand einer Menge)
Sei 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum, und sei Y ⊆ X. Dann heißen:
(i) | int(Y) | = ⋃ { U ⊆ Y | U offen } | das Innere von Y, |
(ii) | cl(Y) | = ⋂ { A ⊇ Y | A abgeschlossen } | der Abschluss von Y, |
(iii) | bd(Y) | = cl(Y) − int(Y) | der Rand von Y. |
Eine Topologie vererbt sich auf Teilmengen des Raumes durch eine einfache Einschränkung:
Definition (Relativtopologie, 𝒰|Y, topologischer Unterraum)
Sei 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum, und sei Y ⊆ X.
Dann heißt 𝒰|Y = { U ∩ Y | U ∈ 𝒰 } die Relativtopologie auf Y.
〈 Y, 𝒰|Y 〉 heißt ein topologischer Unterraum von X.
Wird ein Y ⊆ X eines topologischen Raumes 〈 X, 𝒰 〉 als topologischer Raum bezeichnet, so ist i. A. der topologische Raum 〈 Y, 𝒰|Y 〉 gemeint. Wir sagen dann auch, dass Y mit der Relativtopologie von 〈 X, 𝒰 〉 versehen wird.
Definition (konvergente Folgen)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum, und sei 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 eine Folge in X. Weiter sei x ∈ X.
〈 xn | n ∈ ℕ 〉 konvergiert gegen x, falls für alle U ∈ 𝒰 mit x ∈ U gilt:
Es gibt ein n0 ∈ ℕ mit: xn ∈ U für alle n ≥ n0.
x heißt dann ein Grenzwert oder Limes der Folge 〈 xn | n ∈ ℕ 〉.
In einem Hausdorff-Raum ist ein Limes x im Falle der Existenz eindeutig bestimmt, und wir schreiben dann x = limn → ∞ xn.
Definition (stetige Funktionen)
Seien 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 und 𝒴 = 〈 Y, 𝒱 〉 topologische Räume, und sei f : X → Y.
(a) | f heißt stetig (zwischen 𝒳 und 𝒴 oder bzgl. 𝒰 und 𝒱), falls gilt: Für alle V ∈ 𝒱 ist f −1″V ∈ 𝒰. |
(b) | Ist x ∈ X, so heißt f stetig in x, falls für alle V ∈ 𝒱 mit f (x) ∈ V ein U ∈ 𝒰 existiert mit x ∈ U und f ″U ⊆ V. |
Offenbar ist f genau dann stetig, wenn f in allen Punkten von X stetig ist.
Die Verknüpfung zweier stetiger Funktionen ist wieder stetig.
Für allgemeine topologische Räume genügt die Folgenstetigkeit, d. h. die Implikation „limn → ∞ xn = x folgt limn → ∞ f (xn) = f (x)“ nicht zur Charakterisierung der Stetigkeit einer Funktion. Man kann sog. konvergente Netze einführen, die wir hier nicht benötigen. In metrischen Räumen gilt aber eine Charakterisierung über Folgen (s. u.).
Definition (homöomorphe topologische Räume, Einbettbarkeit)
Seien 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 und 𝒴 = 〈 Y, 𝒱 〉 topologische Räume.
(a) | 𝒳 und 𝒴 heißen homöomorph, falls es ein bijektives f : X → Y gibt mit: f : X → Y ist stetig und f −1 : Y → X ist stetig. Eine solches f heißt ein Homöomorphismus zwischen 𝒳 und 𝒴. |
(b) | 𝒳 heißt einbettbar in 𝒴, falls ein P ⊆ Y existiert, das versehen mit der Relativtopologie von 𝒴 homöomorph zu 𝒳 ist. Ein zugehöriger Homöomorphismus f : X → P heißt eine Einbettung von 𝒳 in 𝒴. Wir sagen, dass 𝒴 eine Kopie von 𝒳 enthält, falls 𝒳 einbettbar in 𝒴 ist. |
Kompakte Räume
Definition (kompakte Räume und kompakte Teilmengen)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum.
(a) | 𝒳 heißt kompakt, falls gilt: Für alle 𝒜 ⊆ 𝒰 mit X = ⋃ 𝒜 gibt es ein endliches 𝒜′ ⊆ 𝒜 mit X = ⋃ 𝒜′. |
(b) | Ein K ⊆ X heißt kompakt in 𝒳, falls 〈 K, 𝒰|K 〉 kompakt ist. |
Eine Teilmenge K eines topologischen Raumes 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ist also genau dann kompakt in 𝒳, wenn gilt:
(+) Für alle 𝒜 ⊆ 𝒰 mit K ⊆ ⋃ 𝒜 gibt es ein endliches 𝒜′ ⊆ 𝒜 mit K ⊆ ⋃ 𝒜′.
In jedem topologischen Raum sind alle endlichen Mengen kompakt. Weiter ist eine endliche Vereinigung von kompakten Mengen offenbar wieder kompakt.
Nicht für alle der folgenden Sätze wird die Bedingung „Hausdorffsch“ wirklich gebraucht. Generell ist aber „Hausdorffsch“ und „kompakt“ ein gutes Paar, und wir begnügen uns hier mit diesem Umfeld.
Satz (kompakte Mengen in Hausdorff-Räumen)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein Hausdorff-Raum, und sei K ⊆ X. Dann gilt:
(i) | Ist K kompakt, so ist K abgeschlossen. |
(ii) | Ist K kompakt und A ⊆ K abgeschlossen, so ist A kompakt. |
Satz (stetige Bilder kompakter Mengen, Homöomorphiesatz)
Seien 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 und 𝒴 = 〈 Y, 𝒱 〉 Hausdorff-Räume, und sei f : X → Y stetig. Dann gilt für alle K ⊆ X:
Ist K kompakt, so ist f ″K kompakt.
Ist f : X → Y bijektiv, stetig und 𝒳 kompakt, so ist also f ein Homöomorphismus zwischen 𝒳 und 𝒴.
Weiter sind stetige Bilder von Fσ-Mengen in kompakten Räumen Fσ-Mengen.
Erzeugte Topologien und Basen
Definition (erzeugte Topologie)
Sei X eine Menge, und sei ℬ ⊆ ℘(X). Dann heißt
𝒰(ℬ) = { ⋃ 𝒜 | 𝒜 ⊆ ℬ* }, wobei ℬ* = { ⋂ 𝒜 | 𝒜 ⊆ ℬ endlich }
die von ℬ erzeugte Topologie.
In der Definition von ℬ* gilt die Vereinbarung ⋂ ∅ = X.
Es gilt: 𝒰(ℬ) = ⋂ { 𝒰 | 𝒰 ist eine Topologie auf X mit ℬ ⊆ 𝒰 }.
Definition (Basis eines topologischen Raumes)
Sei 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum, und sei ℬ ⊆ 𝒰.
ℬ heißt eine Basis von 𝒰, falls für alle V ∈ 𝒰 gilt:
(+) V = ⋃ { U ∈ ℬ | U ⊆ V }.
Ist ℬ eine Basis von 𝒰, so ist offenbar 𝒰 die von ℬ erzeugte Topologie. Ein beliebiges Erzeugendensystem ℬ einer Topologie wird zuweilen auch eine Subbasis von 𝒰 genannt. Charakteristisch ist hier der „vorbereitende“ Schritt der endlichen Schnittbildung.
Satz
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum, und sei ℬ ⊆ 𝒰.
Dann sind äquivalent:
(a) | ℬ ist eine Basis von 𝒰. |
(b) | ⋃ ℬ = X und für alle U ∈ 𝒰 und alle x ∈ U gibt es ein B ∈ ℬ mit x ∈ B und B ⊆ U. |
Man sagt traditionell auch, dass 𝒳 das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, wenn 𝒳 eine abzählbare Basis besitzt.
Diskrete Topologie
Für jede Menge X ist 〈 X, ℘(X) 〉 ein topologischer Raum. ℘(X) heißt die diskrete Topologie auf X. Jedes P ⊆ X ist hier offen und abgeschlossen.
Separable topologische Räume
Definition (dichte Teilmenge, separabel)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein topologischer Raum.
(i) | Ein D ⊆ X heißt dicht in 𝒳, falls D ∩ U ≠ ∅ für alle U ∈ 𝒰 − { ∅ }. |
(ii) | 𝒳 heißt separabel, falls eine abzählbare dichte Teilmenge von 𝒳 existiert. |
Ein D ⊆ X ist genau dann dicht, wenn cl(D) = X.
Besitzt 𝒳 eine abzählbare Basis, so ist 𝒳 separabel. Die Umkehrung ist in metrischen Räumen (s. u.) richtig.
Produkte
Definition (Produktraum und Produkttopologie)
Sei I eine Menge, und sei 𝒳i = 〈 Xi, 𝒰i 〉 ein topologischer Raum für i ∈ I.
Dann definieren wir den Produktraum Πi ∈ I 𝒳i = 〈 X, 𝒰 〉 durch:
X | = { f : I → ⋃i ∈ I Xi | f (i) ∈ Xi für alle i ∈ I }, |
𝒰 | = „die von ℬ = { { f ∈ X | f (i) ∈ U } | i ∈ I, U ∈ 𝒰i } erzeugte Topologie“. |
Die Topologie 𝒰 heißt die Produkttopologie der Topologien 𝒰i, i ∈ I.
Die Topologie 𝒰 ist die kleinste Topologie auf X, für die alle Projektionsabbildungen pri : X → Xi, i ∈ I, stetig sind (bzgl. 𝒰i), wobei pri(f) = f (i) für alle f ∈ X.
Einer der wichtigsten Sätze der mengentheoretischen Topologie ist:
Satz (Satz von Tychonov)
Sei I eine Menge, und sei 𝒳i = 〈 Xi, 𝒰i 〉 ein kompakter Hausdorff-Raum für alle i ∈ I. Dann ist Πi ∈ I 𝒳i kompakt.
Zum Beweis wird das Auswahlaxiom verwendet.
Metrische Räume
Wir kommen nun zu den spezielleren, ebenfalls von Hausdorff 1914 eingeführten metrischen Räumen.
Definition (metrischer Raum, Metrik auf einer Menge)
Sei X eine Menge, und sei d : X2 → ℝ+0 eine Funktion.
〈 X, d 〉 heißt ein metrischer Raum (und d eine Metrik auf X), falls für alle x, y, z ∈ X gilt:
(i) | d(x, y) = 0 gdw x = y, |
(ii) | d(x, y) = d(y, x), (Symmetrie) |
(iii) | d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z). (Dreiecksungleichung) |
Gilt statt (i) lediglich d(x, x) = 0 für alle x, so spricht man von einer Pseudometrik.
Metrische Räume geben wie folgt Anlass zu topologischen Räumen:
Definition (offene ε-Umgebung)
Sei 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum. Für x ∈ X und ε ∈ ℝ+ heißt
Uε(x) = { y ∈ X | d(x, y) < ε }
die offene ε-Umgebung von x oder offene ε-Kugel mit Mittelpunkt x.
Wir setzen ℬd = { Uε(x) | x ∈ X, ε > 0 }.
Definition (erzeugte Topologie und kompatible Metrik)
(a) | Sei 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum. Dann heißt die von ℬd erzeugte Topologie die von der Metrik d erzeugte oder induzierte Topologie auf X. |
(b) | Ein topologischer Raum 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 heißt metrisierbar, falls eine Metrik d auf X existiert, die 𝒰 erzeugt. 𝒳 heißt dann auch metrisierbar durch d, und d eine kompatible Metrik für 𝒳. |
(c) | Zwei Metriken d und d′ auf X heißen kompatibel, falls sie die gleiche Topologie erzeugen. |
Es ist leicht zu sehen, dass ℬd sogar eine Basis der erzeugten Topologie ist; die Vorstufe der Bildung der endlichen Schnitte ℬ*d entfällt. (Zum Beweis dieser Tatsache genügt bereits eine Pseudometrik.)
Für eine Metrik d auf X sei d′(x, y) = d(x, y)/(1 + d(x, y)) für alle x, y ∈ X. Dann ist d′ eine zu d kompatible Metrik und es gilt diam(X) ≤ 1 bzgl. d′, wobei allgemein der Durchmesser diam(X) = diamd(X) bzgl. einer Metrik d definiert ist als sup({ d(x, y) | x, y ∈ X }) ∈ [ 0, ∞ ].
Wird ein metrischer Raum 〈 X, d 〉 als topologischer Raum bezeichnet, so ist immer X zusammen mit der von der Metrik erzeugten Topologie gemeint. So kann man etwa sagen: Jeder metrische Raum ist Hausdorffsch.
Für metrische Räume gilt die Charakterisierung der Stetigkeit durch die Folgen-Stetigkeit (oder gleichwertig die ε-δ-Formulierung). Seien hierzu 〈 X, d 〉 und 〈 Y, d′ 〉 metrische Räume, und sei f : X → Y. Dann sind für alle x ∈ X äquivalent:
(i) | f : X → Y ist stetig im Punkt x (im topologischen Sinne). |
(ii) | Für alle Folgen 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 mit x = limn → ∞ xn gilt f (x) = limn → ∞ f (xn). |
(iii) | Für alle ε > 0 gibt es ein δ > 0 mit f ″Uδ(x) ⊆ Uε(f (x)). |
Für metrische Räume gelten starke Fortsetzungssätze für stetige Funktionen. Ein wichtiger Fall ist:
Satz (Ausdehnungssatz von Urysohn)
Sei 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum, und seien A, B ⊆ X abgeschlossen und disjunkt. Dann existiert ein stetiges f : X → [ 0, 1 ] mit:
f (x) = 0 für alle x ∈ A und f (x) = 1 für alle x ∈ B.
Stärker (!) gilt sogar:
Satz (Ausdehnungssatz von Tietze)
Sei 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum, und sei C ⊆ X abgeschlossen und f : C → ℝ stetig. Dann existiert ein stetiges g : X → ℝ mit g|C = f.
Sind c1, c2 ∈ ℝ derart, dass c1 ≤ f (x) ≤ c2 für alle x ∈ A gilt, so kann g so gewählt werden, dass c1 ≤ g(x) ≤ c2 für alle x ∈ X gilt.
Vollständige metrische Räume
Von großer Bedeutung in der Theorie der metrischen Räume ist der Begriff der Vollständigkeit. Er besagt salopp, dass der Raum keine Löcher hat.
Definition (Cauchy-Folgen und Vollständigkeit)
Sei 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum.
(a) | Eine Folge 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 in X heißt eine Cauchy-Folge (bzgl. d), falls gilt: Für alle ε > 0 gibt es ein n0 ∈ ℕ, sodass für alle n, m ≥ n0 gilt: d(xn, xm) < ε. |
(b) | 〈 X, d 〉 heißt vollständig, falls jede Cauchy-Folge (bzgl. d) im Raum 〈 X, 𝒰(ℬd) 〉 konvergiert. |
〈 X, d 〉 ist also genau dann vollständig, wenn für jede Cauchy-Folge 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 ein x ∈ X existiert mit:
(+) Für alle ε > 0 gibt es ein n0, sodass für alle n ≥ n0 gilt: d(xn, x) < ε.
Jeder metrische Raum lässt sich in kanonischer Weise vervollständigen, indem man Äquivalenzklassen von nicht-konvergenten Cauchy-Folgen zu X als neue Punkte hinzufügt und die Metrik in der offensichtlichen Art und Weise auf die entstehende Menge X* ⊇ X erweitert. Zwei Cauchy-Folgen 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 und 〈 yn | n ∈ ℕ 〉 in X heißen dabei äquivalent, wenn limn → ∞ d(xn, yn) = 0 gilt.
Die Vollständigkeit eines metrischen Raumes 〈 X, d 〉 hängt i. A. von d und nicht nur von der von d induzierten Topologie ab. 〈 X, d 〉 und 〈 X, d′ 〉 können kompatibel sein, während d vollständig ist und d′ nicht.
Konvergiert eine Folge 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 in X, so ist die Folge eine Cauchy-Folge für jede kompatible Metrik. (Die Konvergenz einer Folge hängt nur von der Topologie 𝒰 ab.)
Ist 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum und Y ⊆ X, so ist 〈 Y, d|Y2 〉 ein metrischer Raum. Die Vollständigkeit geht bei dieser Verkleinerung i. A. aber verloren. In überraschend vielen Fällen lässt sich aber die induzierte Topologie des Teilraumes vollständig remetrisieren: Man konstruiert eine neue mit d|Y2 kompatible Metrik d*, die die d-Löcher von Y ins Unendliche verlagert. Genauer erreicht man: Ist 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 eine nicht konvergente Cauchy-Folge in Y bzgl. d, so ist 〈 xn | n ∈ ℕ 〉 keine Cauchy-Folge mehr bzgl. d*. Wir beweisen ein derartiges Remetrisierungs-Resultat im zweiten Kapitel des zweiten Abschnitts.
Sei I eine Menge, und sei 𝒳i = 〈 Xi, di 〉 ein metrischer Raum für alle i ∈ I. O. E. gilt diam(Xi) ≤ 1 für alle i ∈ I. Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 = Πi ∈ I 〈 Xi, di 〉 das topologische Produkt (wir fassen die 〈 Xi, di 〉 wieder als topologische Räume auf). Ist I abzählbar unendlich, so ist für jede Aufzählung 〈 in | n ∈ ℕ 〉 von I der Raum 𝒳 metrisierbar durch
d(f, g) = ∑n ∈ ℕ din(f (in), g(in))/2n + 1 für alle f, g ∈ X,
und es gilt wieder diam(X) ≤ 1 bzgl. d. Analoges gilt für endliche Produkte.
Kompakte metrische Räume
Für metrische Räume fallen verschiedene Begriffe der Gedrängtheit zusammen:
Satz (Charakterisierungen der Kompaktheit für metrische Räume)
Sei 𝒳 = 〈 X, d 〉 ein metrischer Raum. Dann sind äquivalent:
(a) | 𝒳 ist kompakt. |
(b) | Jede Folge in X hat eine konvergente Teilfolge. |
(c) | Jede unendliche Menge in X hat einen Häufungspunkt. |
(d) | 𝒳 ist vollständig und total beschränkt, d. h. für alle ε > 0 gilt: Es existieren ein n ∈ ℕ und x0, …, xn ∈ X mit X = ⋃i ≤ n Uε(xi). |
Folglich ist ein kompakter metrischer Raum separabel (und damit polnisch): Für alle k ∈ ℕ seien xk0, …, xkn(k) wie in (d) für ε = 1/2k. Dann ist
D = { xki | k ∈ ℕ, i ≤ n(k) }
dicht in X.
Metrisierbarkeit topologischer Räume
Überraschend viele topologische Räume lassen sich metrisieren. Das fundamentale Ergebnis ist hier der folgende Satz von Urysohn, der zusammen mit dem Satz von Tychonov zuweilen als der wichtigste Satz der elementaren Topologie bezeichnet wird:
Satz (Metrisierbarkeitssatz von Urysohn)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein Hausdorff-Raum, der eine abzählbare Basis besitzt.
Dann sind äquivalent:
(a) | 𝒳 ist metrisierbar. |
(b) | Für alle x ∈ X und U ∈ 𝒰 mit x ∈ U gibt es ein V ∈ 𝒰 mit: x ∈ V und cl(V) ⊆ U. (Regularität des Raumes) |
Die Aussage (b) ist äquivalent zu: Ist A ⊆ X abgeschlossen und x ∉ A, so existieren disjunkte U, V ∈ 𝒰 mit x ∈ U und A ⊆ V.
Jeder kompakte Hausdorff-Raum erfüllt die Bedingung (b). Weiter ist ein kompakter metrisierbarer Raum separabel und besitzt deswegen eine abzählbare Basis. Wir erhalten:
Korollar (Metrisierbarkeitssatz für kompakte Räume)
Sei 𝒳 = 〈 X, 𝒰 〉 ein kompakter Hausdorff-Raum. Dann sind äquivalent:
(a) | 𝒳 ist metrisierbar. |
(b) | 𝒳 besitzt eine abzählbare Basis. |
Die Standardtopologie des Kontinuums
Die Standardtopologie von ℝn, n ∈ ℕ, ist die von den offenen Quadern
] a1, b1 [ × … × ] an, bn [,
a1, …, an, b1, …, bn ∈ ℝ erzeugte Topologie. Diese Quader bilden sogar eine Basis der Topologie. Anstelle von ℝ kann man für die Intervallgrenzen auch nur Elemente aus ℚ zulassen. Die Topologie auf ℝn hat also eine abzählbare Basis.
Die Standardtopologie auf ℝn stimmt weiter mit der von der Euklidischen Metrik dn auf ℝn (vgl. 1.4) erzeugten Topologie überein.
Für alle n ∈ ℕ und alle K ⊆ ℝn sind äquivalent (unter der Standardtopologie):
(i) | K ist kompakt. |
(ii) | K ist beschränkt und abgeschlossen. |
Die Topologie auf den Folgenräumen ℕA = Πn ∈ ℕ A ist die Produkttopologie der diskreten Topologie auf A, d. h. der Topologie 𝒰 = ℘(A). Wir diskutieren diese Topologie in Abschnitt 2 genauer.